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Dorothée Aschoff, zufluchtend : Gemälde und Skulpturen

Sonntag, 31. Oktober 2021, um 11:15 Uhr.

Im Veranstaltungsort* Kunsthalle Kelterhaus

 Aufrufe : 9067

Zur Eröffnung der Ausstellung am 31. Oktober 2021 um 11.15 Uhr laden wir Sie mit Ihren Freunden herzlich ein.

Laudatio: Prof. Dr. Dr. Ludger Honnefelder

Musik: Leo Herzog, Akkordeon

Diese Ausstellung war ursprünglich geplant für Februar und wurde auf Grund der Pandemie in den Herbst 2021 verschoben.

 

KECK, Kinder entdecken creativ Kunst, unter der Leitung von Tine Duffing für diese Ausstellung findet am Samstag, 13. November 2021 von 10 - 12:30 Uhr statt. Details finden Sie unter diesem Veranstaltungspunkt hier auf unserer Website.

 

Öffnungszeiten: 

Freitags 17.00 - 20.00 Uhr

Samstags 14.00 - 18.00 Uhr

Sonn- und Feiertags 11.00 - 18.00 Uhr

Änderungen bezüglich Eröffnung und Laufzeit werden wir hier rechtzeitig ankündigen.

 

„zufluchtend“, ist der Titel dieser Ausstellung. Dieser Begriff als Wortschöpfung beschreibt einerseits inhaltlich das Zielhafte beim „auf der Flucht“ sein. Die Zuflucht, das „Refugio“, ein Ort um Schutz zu suchen, zum Innezuhalten. Gerade die 500-jährige Geschichte der Johanniter – die Gründer des Klosters am heutigen Herrenhof als Ausstellungsort - waren die Beschützer der Reisenden. Diese Geschichte hat die Künstlerin fasziniert, sodass sie davon in ihren neuen Arbeiten erzählen möchte. Andererseits beschreibt der Begriff auch die rein räumliche Flucht, der Richtung des Zieles. Solche „Fluchten“ entwickelt die Künstlerin auch in ihrer dreidimensionalen Ölmalerei. Vom Betrachter weg und zu ihm hin. Die neuen Skulpturen verstärken die Bildaussagen. 

 

„Eine Zuflucht suchend“ verbindet die Geschichte des Herrenhofs mit unserer aktuellen Gegenwart. In unserem sozialen Leben als Gemeinschaft – innerhalb der Familie, unserer Stadt, unserem Land und unserer Welt….“

 

Auswahl einiger Arbeiten von Dorothée Aschoff.

 

  zufluchtend I

 

  zufluchtend II

 

zufluchtend III

 

Graues Boot II

  Bootsschlitten

 

Prof.em. Dr. Dr. h.c. Ludger Honnefelder: 

Laudatio zur Einführung der Ausstellung „zufluchtend“ von  Dorothée Aschoff im Herrenhof in Neustadt a.d.W.-Mussbach am 31.Oktober.2021

 

Liebe Dorothée Aschoff, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst!

 

Ich habe ich mich sehr über die Einladung gefreut, heute morgen einige einführende Worte zur Eröffnung der  Ausstellung neuer Arbeiten von Dorothée Aschoff beizusteuern. Da ich – wie ich Ihnen gleich gestehe – kein ausgewiesener Kunstexperte und kein Kunsthistoriker bin, sondern ein emeritierter Professor der Philosophie - werden Sie fragen, was mich denn mit Dorothée Aschoff verbindet und was mich Ihre wunderbaren Werke hat entdecken lassen. Meine erste Begegnung mit ihr liegt lange zurück und sie war zunächst gar keine Begegnung mit ihrer Person, sondern mit ihren frühen Werken. Ich durfte nämlich dabei sein und zuhören, als die frühen Werke der jungen Kunststudentin von einer Jury erlesener Experten begutachtet wurden, mit der Frage, ob sie in die gerade gegründete Künstler- und Künstlerinnenförderung des Cusanuswerks aufgenommen werden sollte. Das Urteil fiel so eindeutig aus, dass ihr einer der wenigen Plätze zugesprochen wurde. Seitdem habe ich ihren künstlerischen Weg verfolgen und erleben können, wie sich aus den eindrucksvollen Anfängen ein grandioses Oeuvre entwickelt hat.

 

Eines ihrer großen frühen Werke hängt in meinem Domizil an einer Stelle, an der ich täglich vorbei gehe und das deshalb jedes mal in mein Blickfeld fällt. Es hat nicht aufgehört, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und mich ein ums andere Mal innehalten und neues entdecken lassen. Erwarten Sie also zur Einführung von mir keinen Expertenvortrag, sondern einige Früchte meiner ganz persönlichen Wahrnehmung der Werke von Dorothée Aschoff in der Hoffnung, dass solche persönliche Erfahrungen Sie dazu anregen können, Ihre eigenen Entdeckungen beim Anschauen der Bilder zu machen.

 

I.

 

Kunst und insbesondere bildende Kunst ist ja – Sie merken, dass nun eine philosophische Annäherung beginnt – eine ganz eigene Erfahrung der Welt, eine Erfahrung, die durch alle die Zugänge nicht zu ersetzen ist, mit denen wir gewöhnlich auf die Welt und auch auf uns selbst schauen. Sie macht etwas sichtbar und erfahrbar, das wir auf unsere gewohnten Weisen der Wahrnehmung gar nicht sehen. Wir erfassen es nicht durch Gedanken, sondern durch die Wahrnehmung mit Hilfe unserer Sinne, freilich einer Wahrnehmung ganz eigener Art. Denn es ist eine Wahrnehmung, die Verborgenes hervortreten, Bekanntes anders erscheinen und Neues vor unseren Augen und Sinnen allererst erstehen lässt. Und selbst da, wo sie den Anschein erweckt, nur Vertrautes abbildend wiederzugeben, ist sie doch mehr als einfache Abbildung.

 

Man schaue nur die Malereien einer Jahrtausende alten Kultur an, die man auf Felsen unter den Sanddünen der Sahara gefunden hat. Es sind Bilder von tanzenden Menschen und den ihnen vertrauten Tieren. Bei ihrem Anblick spürt man, dass es den steinzeitlichen Malern nicht um Abbildung ging, sondern um die Beschwörung der Weise, in der sie ihre Welt erleben, eine Beschwörung, die nicht nur die verborgene Welt zum Ausdruck bringt, als deren Teil sich die Autoren der Bilder wissen, sondern die auch die Ausstrahlung hat, den Betrachter der Bilder in diese Welt einzuführen und ihn an der verborgenen Weltsicht und der mit ihr verbundenen Lebensweise teilnehmen zu lassen.

 

Wo Kunst ein Abbild ist, ist sie – wenn es sich um Kunst handelt – stets mehr als ein Abbild. Das wird besonders da deutlich, wo Kunst – wie in der Moderne - das gegenständliche Motiv verlässt und im eigentlichen Sinn „bildende“ Kunst wird, indem sie eine neue ungegenständliche Welt sichtbar macht. Denn auch wenn sie uns in dieser ungegenständlichen „abstrakten“ Form begegnet, spüren wir, dass sie nicht Resultat von Beliebigkeit und Zufall ist, sondern sich in ihr eine uns vielleicht zunächst verborgene, dann aber sich „ästhetisch“, d.h. über die sinnliche Erfahrung von Konturen und Farben sichtbar werdende Welt vermittelt. Kunst als ein „way of worldmaking“ – wie der Philosoph Nelson Goodman es genannt hat.

 

II.

 

Es sind zwei Weisen, in denen in meiner Wahrnehmung Dorothée Aschoffs Arbeiten Unsichtbares sichtbar machen und eine verborgene Welt entdecken lassen: Zum einen lassen sie uns Ursprünge in der Zeitachse erfahren und zum anderen führen sie uns in Tiefenstrukturen unserer Wirklichkeit.

 

Wortlos stehen da zwischen den Bildtafeln Boote und Schlitten in urtümlicher Form aus einfachem Material, Papier, geformt und geflochten, auf Grundformen reduziert und doch zugleich fähig für den Gebrauch, auf unvordenkliche Zeiten verweisend, wie zurück gelassen von denen, die sie gebaut und gebraucht haben.

 

Wir spüren: sie sind Teil einer Geschichte. Keiner Geschichte, die zu bestimmten Daten geschehen und mit bestimmten Personen verbunden ist, sondern einer Geschichte, die den Charakter einer Urgeschichte, eines Mythos hat. Denn was ein Mythos erzählt, sind ja nicht tatsächliche Ereignisse, sondern ein unvordenkliches Geschehen, das uns Antwort gibt auf die Frage nach dem Sinn, der hinter dem tatsächlich Geschehenen steht. Ziel des Mythos ist nicht die Angabe von Ursachen, sondern die Sichtbarmachung von Sinn.

 

Was geschieht beispielsweise mit uns – um eine der großen Menschheitsfragen aufzugreifen – wenn wir die Todeslinie überschritten haben? Ist Tod ein sinnloses Ende oder ein Übergang, und wenn ja: wohin? Nicht Ende, sondern Übergang – sagt der antike Mythos. Der Fährmann Charon wird uns mit seinem Boot über den für uns nicht überwindlichen Totenfluss Acheron übersetzen und in das bergende Reich der Toten bringen. Noch Dante beschwört dieses Bild in seiner Göttlichen Komödie. Um unsere Sterblichkeit wissend genügt für uns das da liegende Boot, um  das rettende jenseitige Ufer zu signalisieren – ein Bild, das dem Tod eine andere Bedeutung gibt als die, ein Ende im Nichts zu sein.

 

Gibt es überhaupt das Rettende oder ist schon die Hoffnung, die mit dieser Frage verbunden ist, angesichts der vielen ungelösten Rätsel vergeblich?  Dorothée Aschoffs Boote und Schlitten lassen sich wie Chiffren dieser Frage und vielleicht auch einer möglichen Antwort lesen. Denn Chiffren geben als solche noch keine Antwort. Sie verweisen und worauf sie verweisen, muss der Betrachter selbst ihnen entnehmen. Einzig das im Titel der Ausstellung begegnende Wort „zufluchtend“ gibt die Künstlerin den Booten und Schlitten mit auf den Weg.   

 

 

 

III.

 

Die Boote und Schlitten stehen mitten in einer Welt von Tafeln, mit denen wir in eine ganz eigene Bildwelt schauen. Eine Bildwelt von eigener Schönheit, von der wir spüren, dass sie sich nicht in der Schönheit der Formen erschöpft, sondern wie alle Kunst über sich hinaus verweist und eine „Offenbarung“ eigener Art ist. Da nicht einfache gegenständliche Abbildungen gezeigt werden, sondern formale Strukturen, sich wiederholende Linien, in sich bewegende Prozesse fragen wir uns: Was wird denn da frei gelegt?

 

Moderne Kunst hat – wie als einer der ersten der Maler Paul Cézanne - damit begonnen, das gegenständliche Bild aufzulösen und farbliche Elemente auf die Leinwand zu tupfen, Tupfer, die als solche gar kein Bild sind, aber die Elemente darstellen, aus deren Wahrnehmung das Bild entsteht, das wir dann sehen. Denn in der Tat, was wir als Wirklichkeit wahrnehmen, ist nur die sinnlich wahrnehmbare Oberfläche unserer Welt. Und dieses Oberflächenbild der Wirklichkeit hat den Menschen immer schon fragen lassen, was es mit dieser Wirklichkeit auf sich hat. „What is it all about?“ hat der Philosoph und Mathematiker Whitehead diese Urfrage genannt.

 

Mit dieser Frage konfrontiert hat Platon, der berühmte Philosoph der Antike, gemeint, dass es die idealen Formen sind, die die Dinge zu dem machen, als was sie uns erscheinen. Dass es die Idee des Tisches ist, die den vor uns stehenden Tisch zu einem Tisch macht. Und dass die ‚wahre Wirklichkeit‘ gar nicht die vor uns stehenden und uns umgebenden Dinge sind, sondern die Welt der Ideen, die ihnen zugrunde liegt. Bemerkungen, die Platon in einem uns hinterlassenen Brief gemacht hat, haben die Platon-Forscher auf den Gedanken gebracht, dass die Vorstellung von Ideen, die den Dingen zugrunde liegen und deren eigentliche Wirklichkeit ausmachen, für Platon nur eine Theorie war, die er öffentlich vorgetragen hat, und dass er im Kreis seiner Schüler eine ganz andere Theorie der Wirklichkeit entwickelt habe, eine Theorie unanschaulicher Art, von der er fürchtete, dass die Leute ihn auslachen würden, wenn er sie ihnen vortrüge. Er war nämlich der Meinung, dass den Dingen Zahlenverhältnisse zugrunde lägen und dass die wahre Wirklichkeit aus Proportion und Struktur besteht.

 

Das macht es wird erklärlich, warum Platon von den Theoretikern der modernen Physik so geschätzt wird. Denn sie gehen ja der Frage nach, aus welchen Elementen nicht nur unsere Tische und Stühle, sondern die Stoffe zusammengesetzt sind, aus denen die Dinge unserer Welt bestehen: der Kohlenstoff, das Kupfer, Gold und Silber und wie alle die Elemente heißen, aus denen die Moleküle zusammengesetzt sind, aus deren Verbindungen dann das besteht, was wir sehen und fühlen. Und selbst Atome – so haben sie bei ihrer Suche entdeckt – sind gar nicht die einfachsten Teile, sondern selbst noch einmal auf sehr komplizierte Weise aus noch einfacheren Teilen zusammen gesetzt. Und für deren Zusammensetzung, die man nur indirekt erkennen kann, haben sie sich Modelle ausgedacht wie das Modell der aus neun Atomen bestehenden Kristallzelle, das man als „Atomium“, nämlich als das 1958 für die Weltausstellung in Brüssel gebaute Modell in Riesengröße sehen und besuchen kann.

 

Doch wie Platon haben die modernen Atomphysiker bei ihren weiteren Forschungen festgestellt, dass die Vorstellung, dass unsere Wirklichkeit aus immer kleineren Teilen zusammengesetzt ist, gar nicht das letzte Wort bei der Suche nach der wahren Wirklichkeit unserer sichtbaren Welt ist. Besser noch als mit dem Bild von Teilchen lässt sich die Wirklichkeit als eine Struktur begreifen, als ein Feld von Kräften, als Prozesszusammenhang in der Art von Schwingungen oder Wellenbewegungen. Hatte Platon also Recht, dass unsere Wirklichkeit in einer letzten Weise als Struktur zu begreifen ist, als Kräftefeld, als Proportion, die sich unserer Anschauung entzieht und nur in mathematischen Modellen zu beschreiben ist?  Dann wäre das Gold, das wir in Form des Rings am Finger sehen, nur die Außenseite einer hoch komplexen Struktur, einer nach inneren Gesetzen sich vollziehenden und sogar Elemente des Chaos einschließenden dynamischen Ordnung. Seine äußere Schönheit wäre Ergebnis einer Art innerer Schönheit. „Du hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ – heißt es von Gott im Buch der Weisheit (11,19) in der Bibel.

 

IV.

 

Warum ich diesen Umweg über Platon und die moderne Physik nehme? Ars imitatur naturam – heißt es bei Aristoteles – Die Kunst ahmt die Natur nach. Und damit meint Aristoteles nicht, dass Kunst einfach nur nachahmt, sondern dass sie wie die Natur einen Reichtum verborgener Quellen hat, denen sie nachgeht und die sie sichtbar macht. Und bei dieser Suche entdeckt sie wie Platon und die moderne Physik, dass – wie der Maler Wassily Kandinsky es ausgedrückt hat – mit dem künstlerisch hervorgebrachten „Minimum“ das das „am meisten Reale“ sichtbar gemacht werden kann.

 

Ist das der Weg, auf den uns die Tafelbilder Dorothée Aschoffs verweisen? Sie halten Oberflächenstrukturen fest, aber so, dass sie transparent werden auf die Prozessstruktur, die ihn zugrunde liegt wie Röntgenbilder oder Mikroskopschnitte, die einen Blick in das verborgene Innere tun lassen. Aber anders als Röntgenbilder, die bloße Abbilder bleiben, gelingt es unserer Künstlerin, im Bild nicht nur den dargestellten Zustand festzuhalten, sondern zugleich den inneren Prozess erahnen zu lassen, dem die dargestellte Struktur entspringt. Nicht Abbilder der Wirklichkeit sind es, sondern deren Deutungen, Chiffren, die über sich hinaus auf, oder besser, in die Tiefe verweisen. Den Bildern eignet so etwas wie eine Transzendenz nach innen. Und es ist diese unausgesprochene geheimnisvolle Transzendenz, die den Blick des Betrachters festhält und ihn mehr sehen lässt als auf der Oberfläche dargestellt ist. Dabei ist die Beschränkung auf den Ausschnitt: auf „Aufgehäuftes“, „Kantendes“, „Geschichtetes“ „Blättriges“ und „Flutendes“, auf sich „Rillendes“ und „Stufendes“, auf etwas zur „Schneelandschaft“, zum „Ufer“, zum „Moor“ oder zum „Geröll“  Gewordenes – die deutlich macht, dass das „Minimum“, nämlich die Struktur, das bewegte Feld der wechselwirkenden Kräfte, der die Dynamik  bestimmende Prozess das „am meisten Reale“ (Kandinsky) ist.

 

Was in den Tafel sichtbar wird, ist so etwas wie ein Weltbild ganz eigener Art, ein Bild, das die verborgenen Formen und Prozesse und deren Schönheit erahnen lässt, die sich in unseren sinnlich erfahrbaren Dingen und Ereignissen ausdrücken. Wenn diese Deutung zutrifft, dann hat es seinen eigenen Sinn, wenn zwischen den Bildern die Boote und Schlitten stehen. Es ist der in den Bildern sichtbar werdende Kosmos, in dem sich die menschliche Existenz ereignet.

 

V.

 

Es sind meine eigenen Wahrnehmungen, die ich Ihnen mit meinen Bemerkungen anzudeuten versucht habe: Versuche, im sinnlich Wahrnehmbaren zu sehen, was mehr ist als das sinnlich Wahrgenommene und was doch nur durch Sehen sinnlich erfahren werden kann. Nehmen Sie es daher als Anregung, selbst auf Entdeckungsreisen durch die Welt dieser Bilder zu gehen.

 

 
 
Hier finden sie Bilder oder weitere Informationen zur Veranstaltung

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