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Das mache ich doch mit links - Verena Börsch am Klavier Sonntag, 18. Oktober 2015, um 17:00 Uhr. Im Veranstaltungsort* Parkvilla | |
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Man möchte glauben, dass es Herausforderung genug ist, die 88 Tasten eines Konzertflügels mit 10 Fingern zu beherrschen. Und doch gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts Kompositionen, die von den Interpreten verlangen, dass sie sich dieser Aufgabe nur mit fünf Fingern widmen, weil sie für die linke Hand alleine geschrieben sind. Die Motivation für solche Kompositionen war zweifach: zum einen verlangte das aufblühende Virtuosentum nach neuen, unerhörten Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt. Die linke Hand, die als „Begleithand“ in vielen Kompositionen eher eine untergeordnete Rolle spielte, konnte so ihre Möglichkeiten erweitern und zur Schau stellen. Und zum anderen gab es ganz praktische Gründe: kriegsversehrte Pianisten, die ohne ihren rechten Arm heimkehrten, oder, etwas weniger dramatisch, Pianisten, die durch Überbeanspruchung oder Verletzung zeitweilig einhändig agieren mussten. So ist es auch eine Verletzung an der rechten Hand, die die Neustadter Pianistin Verena Börsch inspirierte, einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt von ca. 1100 Stücken, die für die linke Hand alleine geschrieben wurden, zu spielen.
Anfang und Ende dieses außergewöhnlichen Programms bildet die Bearbeitung der berühmten „Chaconne“ von Johann Sebastian Bach durch Johannes Brahms, der das ursprünglich für Violine komponierte Stück ohne zusätzliche musikalische Eingriffe am Klavier für die linke Hand allein übertrug. Ähnlich wie es eine Herkulesaufgabe ist, dieses zu den Höhepunkten des Bachschen Schaffens gehörende Stück mit den begrenzten Mitteln einer einsamen Violine darzustellen, schafft die Reduzierung auf die linke Hand eine ähnlich schwierige Ausgangslage am Klavier. Die Töne dieser tiefen Auseinandersetzung Bachs mit den großen Fragen des Lebens gehen nicht leicht von der Hand und gerade dadurch gewinnt der das Ringen Bachs und des Interpreten an Aussagekraft.
Erwin Schulhoff, ein von den Nazis verfolgter Komponist, der 1942 in einem Internierungslager an Hunger und Erschöpfung starb und dessen wundervolle Musik auch deswegen bis heute viel zu selten gespielt wird, schrieb seine „Suite Nr. 3 für Klavier solo (linke Hand)“ für einen befreundeten Konzertpianisten. Dieser hatte seinen rechten Arm im 1. Weltkrieg verloren, ähnlich wie sein bekannterer Kollege Paul Wittgenstein, für den Ravels Klavierkonzert für die linke Hand und etliche andere Werke komponiert wurden.
Das vielleicht virtuoseste Stück des Abends ist die „Studie für die linke Hand“ des 21-jährigen Béla Bartók, die sich aus seiner damaligen Begeisterung für die Werke von Richard Strauss speist und dementsprechend klingt. Bartók, der damals bei einem Liszt-Schüler studierte und selbst zu einem bedeutenden Klaviervirtuosen heranwuchs, stellte fest: „das Stück klingt als würde ich es mit drei Händen spielen“.
Die „Sechs Etüden für die linke Hand“ von Camille Saint-Saëns schließlich entstanden für eine befreundete Pianistin, die nach einer Operation an der rechten Hand nicht gänzlich untätig herumsitzen wollte. Ähnlich wie Schulhoff verwendet Saint-Saëns barocke Tanzsätze als Grundlage für tänzerisch-freie und fantasievolle Stücke, denen man nicht anmerkt, dass eine Hand fehlt.
Verpassen Sie nicht diesen Klavierabend der besondern Art, an dem, auch wenn die Stücke „mit links“ gespielt werden es keineswegs um halbe Sachen geht. Verena Börsch
Verena Börsch stammt aus Neustadt und erhielt mit fünf Jahren ihren ersten Klavierunterricht. Nach dem Abitur studierte sie an der Staatlichen Musikhochschule in Detmold bei dem renommierten russischen Pianisten Anatol Ugorski Klavier. 1995 legte sie ihr Diplom mit Auszeichnung ab. Unterstützt von einem Stipendium des Rotary-Clubs setzte sie danach ihre künstlerische Ausbildung in London am Royal College of Music bei Bernard Roberts fort. Dort absolvierte sie das „Performer’s Diploma“ und den „Master of Music“, den in England höchsten künstlerischen Abschluss. Neben ihrer solistischen Tätiglkeit widmet sie sich auch der Kammermusik und der Liedbegleitung. Verena Börsch erhielt während ihres Studiums zahlreiche Stipendien u.a war sie Meisterschülerin des ungarischen Pianisten György Sebök. Mit ihrer Interpretation des ersten Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven gewann sie 1997 den ersten Preis beim Watford Music Festival und wurde im darauf folgenden Jahr mit dem zweiten Preis beim North London Music Festival ausgezeichnet. Verena Börsch lebt und arbeitet seit 2007 als freischaffende Pianistin, Kammermusikerin, Liedbegleiterin und Klavierpädagogin in Neustadt.
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