Anläßlich seines 70. Geburtstags im Jahre 2007 würdigen die Fördergemeinschaft Herrenhof Mußbach und die ROXY Kinos in einer Werkschau mit fünf seiner wichtigsten Filme das Werk des Neustadters Peter Fleischmann.
Der Gesellschaftskritiker mit dem Mut zum Extremen gilt neben Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff und Wim Wenders als einer der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Regisseure und wichtiger Vertreter der Neuen Deutschen Films. Als diese vor mittlerweile mehr als 35 Jahren ins Kino drängten, forderten sie auch einen anderen Umgang mit der Wirklichkeit. Doch kaum jemand hat diesen Anspruch so radikal verwirklicht wie Peter Fleischmann. Heute gehört er ungerechterweise zu den fast vergessenen Filmemachern jener Epoche, vielleicht, weil er in mehr als zwei Jahrzehnten nur sieben Spielfilme drehen konnte. Dennoch ist sein filmisches Schaffen voller Perlen, die der (Wieder-) Entdeckung harren.
Fleischmann ist ein Ankläger, ein Provokateur, ein Polemiker und manchmal auch ein Satiriker. Seine Filme sind bedrohliche Alpträume, die die Brüchigkeit des bundesrepublikanischen Alltags der sechziger und siebziger Jahre in exemplarischen Metaphern vorführen, aus denen es kein Entrinnen gibt.
Peter Fleischmanns filmisches Schaffen
Nach seinem Film-Studium in München und Paris inszenierte Fleischmann Kurz- und Kinderfilme. Mit „ Alexander und das Auto ohne linken Scheinwerfer" gewann er den deutschen Kinderfilmpreis und einen Spezialpreis bei den Filmfestspielen von Venedig 1966. Großes Aufsehen erregte „ Herbst der Gammler", ein Dokumentarfilm über Generationenkonflikte in München, für den Fleischmann den Adolf-Grimme-Preis erhielt und einen Golddukaten auf den Internationalen Filmfestspielen in Mannheim. Fleischmanns erster Spielfilm „ Jagdszenen aus Niederbayern" (1969), eine Adaption des gesellschaftskritischen Theaterstücks von Martin Sperr, wurde mit dem Filmband in Silber ausgezeichnet. 1969 gründete Fleischmann mit Volker Schlöndorff die Produktionsgesellschaft Hallelujah Film. 1980 wurde er von den europäischen Regisseuren zum Präsidenten des Europäischen Regieverbandes gewählt. 1992 leitete er die Privatisierung der Babelsberger Filmstudios ein und widmete sich zusammen mit Volker Schlöndorff deren Umbau zu einem modernen Studiobetrieb.
In Fleischmanns Filmen geht es um unverstandene Individuen, die sich nicht an ihre Umgebung anpassen können. Dabei kommt es immer wieder zu einer Verkehrung von Gut und Böse, wie in „ Dorotheas Rache" (1974). Das als Sexfilm missverstandene Werk kritisiert die Pornoindustrie mit ihren eigenen Mitteln. Im Polit-Thriller „ Der dritte Grad" (1975) mit Mario Adorf ist das ernste Thema offensichtlicher: Das Leben in Angst, das die Bevölkerung einer Militärdiktatur führen muss. Auch in „ Frevel" (1984) geht es um die menschliche Psyche: Ein erfolgreicher Kriminaldirektor verliebt sich in eine Mordverdächtige. Mit dem Science-Fiction Kultklassiker „ Es ist nicht leicht ein Gott zu sein" (1990) zeigt der Regisseur wiederum, dass seine Filme nicht in eine Kategorie einzuordnen sind. Seinem Hang zur extremen Darstellung, der ihn einst zu einem Außenseiter des Neuen Deutschen Films machte, ist Fleischmann bis heute treu geblieben. Sein bislang letzter Film ist „ Mein Freund der Mörder", eine Dokumentation über Bernhard Kimmel.
Donnerstag, 01. November, 11.00 Uhr - Eintritt 6,00 Euro (ermäßigt 5,00 Euro) Werkschau-Pass (alle Filme) 20,00 Euro
Werkschau-Eröffnung in Anwesenheit von Peter Fleischmann mit Laudatio und Einführung durch Gustav Adolf Bähr
"Jagdszenen aus Niederbayern"
BRD 1968, 85 Minuten
Darsteller: Martin Sperr, Angela Winkler, Else Quecke, Maria Stadler, Michael Strixner, Hanna Schygulla, Eva Berthold, Johann Brunner, Hans Elwenspoek, Johann Fuchs, Johann Lang, Renata Sandner, Gunja Seiser, Erika Wackernagel, Ernst Wager
„Es ist ganz einfach ein Meisterwerk!" schrieb der französische Star-Kritiker Jean-Louis Bory 1969 über Peter Fleischmanns ersten Spielfilm ‘Jagdszenen aus Niederbayern’ und Jean de Baroncelli äußerte sich in Le Monde über die gnadenlose Jagd auf einen Außenseiter in einem niederbayerischen Dorf: „Dieser Film ist grausam und wäre unerträglich, wenn in seinem konzessionslosen Realismus nicht verhaltene Poesie und herzzerreißende Angst mitschwängen. Mehr als einmal denkt man an Fritz Lang." Einer der weltweit erfolgreichsten Werke des Neuen Deutschen Films, der die Kinobesucher von Holland, Schweden, Italien bis in die USA und von Ungarn bis Kuba berührte. „Ein Dorf in Bayern oder anderswo, Dummheit und Feigheit sind überall und in allen Zeiten zu Hause", schrieb Claude Mauriac im Figaro und der Corriere de la Sera titelte: „Aus dem Bayern dieses Films stammen wir alle."
Donnerstag, 01. November, 18.00 Uhr - Eintritt 6,00 Euro (ermäßigt 5,00 Euro) Werkschau-Pass (alle Filme) 20,00 Euro
ROXY KINO
"Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein"
BRD / UdSSR / Frankreich 1987-1989, 119 Minuten
Darsteller: Edward Zentara, Alexander Filipenko, Anne Gautier, Christine Kaufmann, Hugues Quester, El Gudscha Burduli, Pierre Clementi, Andrej Boltnev, Birgit Doll, Werner Herzog
Die Erde, das dritte Jahrtausend. Die Menschheit hat die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen lange hinter sich gelassen, und Raumschiffe durchkreuzen den Weltraum auf der Suche nach außerirdischen Zivilisationen. Auf dem Planeten Arkanar wird man fündig: Dort lebt eine menschenähnliche Rasse, die sich auf einer dem Mittelalter entsprechenden technischen und kulturellen Stufe befindet. Unter der Vorgabe, auf keinen Fall in die Entwicklung Arkanars einzugreifen, wird der Erdenmensch Rumata als Beobachter auf die Oberfläche geschickt. Als er jedoch Zeuge barbarischer Greueltaten wird, widersetzt er sich dieser Anordnung und versucht, einem Planetenbewohner das Leben zu retten – was weitreichende Folgen hat ...
Freitag, 02. November, 18.00 Uhr - Eintritt 6,00 Euro (ermäßigt 5,00 Euro) Werkschau-Pass (alle Filme) 20,00 Euro
ROXY KINO
"Der dritte Grad"
BRD 1971, 111 Minuten
Darsteller: Michel Piccoli, Ugo Tognazzi, Adriana Asti, Mario Adorf, Thimios Karakatsanis
Etwa zehn Jahre lang, von den späten 60er bis in die späten 70er Jahre, dauerte die Blütezeit des Politthrillers an. In dieser Phase sind in den USA wie in Europa die Meilensteine des Genres entstanden, die bis in die heutige Zeit nachwirken. Doch während sich jeder noch an die Filme von Costa-Gavras und Alan J. Pakula und Sydney Pollack erinnert, sind einige Meisterwerke wie Rainer Werner Fassbinders »Die 3. Generation« und Peter Fleischmanns »Der Dritte Grad« zu Unrecht in Vergessenheit geraten.
Griechenland in den Jahren der Militärdiktatur. Als Georgis, kleiner Angestellter und unscheinbarer Durchschnittsbürger, plötzlich von zwei Ermittlern der Geheimpolizei verhaftet wird, scheint sein Schicksal besiegelt. Doch auf der Fahrt nach Athen verschieben sich nach und nach die Machtverhältnisse, bis irgendwann nicht einmal mehr eindeutig auszumachen ist, wer hier nun eigentlich der Jäger und wer der Gejagte ist. Peter Fleischmann spielt perfekt auf der Klaviatur des psychologischen Thrillers. In ungeheuer eindringlichen Szenen portraitiert er ein ausschließlich auf Angst und Terror basierendes System, in dem letztlich alle Menschen ununterbrochen physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt sind. In den überraschenden Wendungen offenbart sich auf verblüffende Weise die Perfidie, mit der ein totalitäres Regime seinen Bestand und seine Macht zu sichern sucht.
Samstag, 03. November, 18.00 Uhr - Eintritt 6,00 Euro (ermäßigt 5,00 Euro) Werkschau-Pass (alle Filme) 20,00 Euro
ROXY KINO
"Der Frevel"
BR Deutschland, 1981-83, 97 Minuten
Darsteller: Angelika Stute, Peter Fleischmann, Walter Lohmann, Isolde Barth, Balduin Baas, Horst Kummeth, Dieter Moser, Heike Marx, Theo Mack, Roland Kenda
Kriminaldirektor Lohmann ist ein erfolgreicher und erfahrener Kriminalist mit der höchsten Aufklärungsquote im ganzen Land. Kurz vor Antritt seines Sommerurlaubs begegnet er im Polizeipräsidium einer blonden jungen Frau, die verhaftet wurde, weil sie ihr Kind umgebracht haben soll. Ein simpel erscheinender Fall. Aber irgendetwas fasziniert Lohmann an der schönen Frau. Er versucht sie zum Reden zu bringen und die Hintergründe der Tat zu begreifen. Immer mehr gerät er in ihren Bann, lässt seine Familie alleine in Urlaub fahren, fälscht schließlich Pässe, um mit der Gefangenen über die Grenze zu fliehen.
"Für Fleischmann bedeutet Frevel eine große, eine großartigeRückwendung: zurück zu der pfälzischen Landschaft, in der er aufgewachsen ist, zurück zur Arbeit mit Laien-Darstellern, zurück zur gradlinigen, schnörkellosen Erzählweise..." (Harald Martenstein in der Stuttgarter Zeitung)
Sonntag, 04. November, 11.30 Uhr - Eintritt 6,00 Euro (ermäßigt 5,00 Euro) Werkschau-Pass (alle Filme) 20,00 Euro
ROXY KINO
"Mein Freund der Mörder"
Deutschland 2006, 90 Minuten
Als der Regisseur Peter Fleischmann den gerade aus der Haft entlassenen Bernhard Kimmel 1970 zu ersten Mal traf, war dieser 34 Jahre alt und bereits eine Legende. Die Interviews mit dem entlassenen Straftäter führten zu einer Freundschaft, die auf eine harte Probe gestellt wurde, als Kimmel 1982 einen Polizeibeamten erschoß, der ihn bei einem Einbruch überrascht hatte. Als der Regisseur ihn drei Jahre später im Gefängnis aufnehmen durfte, was nicht klar, ob der zu lebenslanger Haft Verurteilte durchhalten würde.
Nach 22 Jahren wird Bernhard Kimmel auf Bewährung entlassen und Fleischmann stellt das Porträt eines Mannes fertig, der den größten Teil seines Lebens hinter Gittern verbracht hat und nun nicht mehr weiß, wo er hingehört – in die Legende vom edlen Räuber oder in eine Realität, die an ihm vorbeigegangen ist.
Mein Freund der Mörder ist eine mitreißende Betrachtung über Schuld, Sühne und Freundschaft.
Im Anschluss an die Filmvorführung findet eine Diskusiion und ein Zusammensein mit Peter Fleischmann im Herrenhof Mußbach statt. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.